Ob er mehr politisch Konsequenzen nach der Veröffentlichung seines Buches erwartet hätte, fragte ich Robin Alexander nach einer Lesung in Leipzig. „Ich bin Journalist, ich beobachte nur“, antwortete er. Publizistisch jedenfalls schlug „Die Getriebenen“ ein wie eine Bombe. Es steht auf den Bestsellerlisten ganz oben. Kurze Zeit gab es sogar Lieferschwierigkeiten. Politisch zeitigte das Enthüllungsbuch jedoch so gut wie keine Folgen.
Woran liegt das? Meine Vermutung ist: an der fehlenden Opposition. Wem nützt die Enthüllung der (vermutlich) wahren Begebenheiten rund um den für Europa so fatalen 4. Und 5. September 2015? Niemandem. In einer gesunden parlamentarischen Demokratie wäre Alexanders Aufdeckung ein gefundenes Fressen für diejenigen, die nicht an der Regierung beteiligt sind. Doch: Wenn es um das Thema Asyl(krise) geht, sitzt derzeitig keine Opposition im Bundestag. Linke oder Grüne? Nein, die waren beim Thema Einwanderung voll auf Angela Merkels Linie.
Opposition? Fehlanzeige!
Die SPD? Sie ist Teil der großen Koalition, auch wenn sie sich mittlerweile als Opposition zu verkaufen versucht (wir befinden uns seit Monaten schon im Wahlkampf). Seehofer, der mitunter als Merkels heftigster Gegner gilt? Er wurde von seinen Parteikollegen im Nachhinein zu Kritik an der Asylpolitik gedrängt. Ansonsten war er einer von denjenigen, die laut Alexander keine Verantwortung für eine Grenzschließung, deren Pläne bereits zur Unterschrift bereit vorlagen, übernommen hatten.
Nun sollte es auch außerparlamentarische Opposition geben, etwa Medien. Doch die haben vor zwei Jahren in ihren Redaktionsstuben wacker im Einklang mit den Mädchen am Bahnhof mitgeklatscht. Freilich gab es einige wenige Ausnahmen, die JF oder einige Autoren der Welt oder FAZ.
Anderes Szenario
Wir stellen uns einmal folgendes Szenario vor: Aufgrund eines politischen Versagens oder wegen eines Mangels an Verantwortung sterben mehrere Flüchtlinge an der Grenze zu Deutschland. Die Sachlage ist unklar, bis ein Journalist die Hintergründe aufdeckt. Noch am Tag der ersten Buchvorstellung würden Grüne und Linke auf die Barrikaden steigen und personelle Konsequenzen fordern. Auch die SPD, obwohl als Koalitionsmitglied mitverantwortlich für die Tragödie, würde auf Seiten der Opposition gegen Merkel und die CDU vorpreschen.
Im realen Fall von der sogenannten Grenzöffnung sieht dies freilich anders aus. Opposition Fehlanzeige, weder in der Politik, noch im Gros der Medien. Deshalb folgten keine politischen Konsequenzen – und werden es auch weiterhin nicht. Es gibt keinen, der davon profitieren würde.
PS: Auf meine Frage, ob sich Deutschland mit seiner maßlosen Refugees-Welcome-Politik in Europa zunehmend isoliere, sagte Alexander schlicht: Ja, das glaube ich schon.
PPS: „Die Getrieben“ kann über den JF-Buchdienst erworben werden.
Hervorragende Analyse! Danke. Woran es Deutschland mangelt sind freiheitliche, unabhängige Journalisten und keine Journaillen.