In sozialen Netzwerken hieß es am Freitag wieder einmal: AfD-Anhänger gegen den Rest. Grund dafür war die Freilassung des Welt-Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft. Die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch twitterte in Anlehnung an eine Kolumne des türkisch-deutschen Doppelstaatsbürgers: „‘Die Einwanderer… leisten ihren (…noch steigerungsfähigen) Beitrag zum Deutschensterben … Der baldige Abgang der Deutschen … ist Völkersterben von seiner schönsten Seite.‘ Gut,daß er wieder frei ist. Aber was will der hier?“

Und nachdem die sich später als falsch herausstellende Nachricht bekannt wurde, daß Yücel mit einem deutschen Regierungsflieger nach Berlin geflogen wurde, schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Udo Hammelgarn: „Deniz Yücel wünscht den Deutschen ihren baldigen Abgang und wird auf Kosten des deutschen Steuerzahlers aus der Türkei ausgeflogen? Mir wird speiübel! Noch übler ist wohl die Gabriel-Gegenleistung?!“

Auf der anderen Seite überboten sich Linkspartei, Grüne, SPD, FDP und Union gegenseitig in Jubelrufen. Getrieben wurden sie von einer Schar Medienleute von taz über ARD und ZDF bis schließlich hin zu Welt. Deren Chefredakteur Ulf Poschhardt stand an der Speerspitze der Freien und Guten und scheute sich nicht, sich in der Causa Yücel regelmäßig in Szene zu setzen.

In mehreren Videos gab er sich als kümmernder Vater, der den „lieben Deniz“ sehnsuchtsvoll zu Hause in seiner Redaktion erwartete. Poschardt sprach von einer „magischen Erfahrung“, daß die Kollegen von taz bis FAZ eisern zusammengehalten und auch auf Exklusivmeldungen verzichtet hätten, „weil sie gesagt haben: Wir wollen nicht, daß Deniz etwas passiert“.

Für die „keifenden AfDler“ und die „dickhäutigen, ranzigen, verbitterten alten Männer von rechts und ganz rechts“ (Poschardt) war das Gebaren der meisten Politiker und Journalisten eine weniger magische Erfahrung. Die Kritik an der #FreeDeniz-Kampagne richtete sich nicht in erster Linie an den früheren Aussagen Yücels, der unter anderem Thilo Sarrazin einen weiteren Schlaganfall wünschte und meinte, einen besseren Ort als Deutschland fände sich allemal.

Meinungseinschränkung in Deutschland? Nur Achselzucken

Er richtete sich gegen die verlogene Doppelmoral, die in diesem Fall mit äußerster Klarheit an die Oberfläche trat. Denn dieselben Medien, die in ihren Newslettern und Internetauftritten beinahe täglich über die Inhaftierung Yücels berichtet und erinnert hatten, nehmen die zunehmende Meinungseinschränkung in Deutschland achselzuckend hin oder loben sie gar noch, solange sie nur die richtigen, also die rechten, trifft.

Um eines klarzustellen: Völlig unangebracht war die Häme gegen Yücel, er möge sein Leben lang dort einsitzen, wo ihn der lupenreine Autokrat Erdogan am liebsten sähe. Das Recht auf freie Meinung und diese auch äußern zu dürfen gilt für alle, auch für die, die Deutschland am liebsten abgeschafft sähen. Ebenso daneben ist aber der überhebliche Spott der Poschardts und Konsorten in den meinungsführenden Medien, der sich pauschal auf alle ergießt, die sich nicht einreihen wollen in den Jubelchor.

Zwei aktuelle Fälle, die in den sozialen Netzwerken zusammen mit #FreeDeniz erwähnt werden, erklären das Unverständnis vieler, warum gefühlt alle Politiker und ihre Begleitschwätzer in den Redaktionen einen Deutschlandhasser in gottesehrfürchtigerweise loben, über die Schikanen gegen jene, die hierzulande regierungskritisch auftreten, aber keine Silbe verlieren.

Eine junge Mutter in Hamburg bekam den vollen Haß linksextremer Gruppen zu spüren, weil sie eine wöchentliche „Merkel muß weg“-Demonstration organisiert hatte. Sie wurde nicht nur persönlich attackiert, auch das Fenster des Kinderzimmerns ihres Hauses demolierten die – nicht selten staatsgepäppelten – „Antifaschisten“, um der Frau deutlich zu machen, sie solle ihre Kritik an der Kanzlerin lieber für sich behalten.

Der vor allem unter konservativen Twitternutzern bekannte Patriarchator (60.000 Tweets, über 6.000 Follower) ist diese Woche für immer gesperrt worden, weil er sich angeblich gehässig geäußert hätte. Für den Mann hinter dem Account, der der Redaktion bekannt ist, ein Beweis dafür, wie der deutsche Staat unter Androhung völlig überzogener Geldstrafen ausländische Unternehmen dazu zwingt, von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen zu löschen und deren Urheber zu sperren.

Es sind zwei Fälle von vielen. Sicher, weder die junge Mutter noch der twitternde Kaltländer wurden wegen ihrer Meinung eingesperrt. Aber das Ergebnis von Antifa-Gewalt, Internetzensur und Gefängnisstrafe ist im Grunde dasselbe: Die Meinungsäußerungsfreiheit wird eingeschränkt, hier wie dort.

Wie Politiker und Journalisten ihr verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen können? Ganz einfach: Setzt euch für Regierungskritiker in Deutschland genauso ein wie ihr es für Erdogan-Kritiker in der Türkei tut!

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