Von der Südtiroler Presse völlig unbeachtet errang eine rechte Partei in Québec vor zwei Wochen einen fulminanten Wahlsieg. Dabei könnte sie eine vorbildhafte Rolle für die Zukunft einiger Südtiroler Parteien spielen. Die Rede ist von der „Coalition Avenir Québec“ (Koalition Zukunft Québec, CAQ). Die noch junge Partei war 2011 von den erfolgreichen Unternehmern Francois Legault und Charles Sirois gegründet worden. Ihr erklärtes Ziel: die patriotischen Anhänger aus der ihrer Ansicht nach verfahrenen Lage zu bringen, die die gescheiterten Unabhängigkeitsbestrebungen mit sich bringen.

Seit dem 1. Oktober ist die CAQ stärkste Kraft in der Québecer Nationalversammlung. Dank des Mehrheitswahlrechts erreichte sie mit ihren 37,4 Prozent sogar die absolute Mehrheit. Zum ersten Mal seit 1966 gewann eine andere Partei als die Liberalen (Wann wird die SVP in Südtirol erstmals nicht als stärkste Kraft aus einer Wahl hervorgehen?) Was wollen Parteichef Legault und seine Mitstreiter? Interessant ist, was sie nicht wollen. Im Gegensatz zu anderen rechten Parteien strebt die CAQ nicht die Sezession an, statt dessen will sie mehr Unabhängigkeit, mehr Autonomie, aber im Staatenverband Kanada, nicht außerhalb.

Gepostet von Coalition Avenir Québec am Sonntag, 30. September 2018

Wichtigster Punkt ist die Einwanderungsfrage. Die CAQ kündigte nicht nur an, die Immigration von jährlich 52.000 auf 40.000 zu reduzieren. Sie will Neubürger auch „Französisieren“. Denn die Zuwanderer ­– und hier kommt eine wichtige Parallele zu Südtirol – wandern vor allem in die englische Sprachgruppe ein. In Südtirol wächst analog dazu durch die Einwanderung vor allem die italienischsprechende Bevölkerung.

Damit dies nicht nur leere Wunschhülsen sind, soll diese Assimilation (nicht Integration!) nach dem Willen der CAQ nach drei Jahren mit Hilfe von Tests kontrolliert werden. Abgefragt werden nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch „Québecer Werte“. Bei negativem Ausgang soll im Zweifel die Aufenthaltserlaubnis erlöschen. Zugegeben: Das ist kein Allheilmittel, denn für Tests kann man lernen; die Assimilation zeigt sich im tägliche Zusammenleben. Doch der Vorstoß geht in die richtige Richtung.

Gescheiterte Unabhängigkeitsreferenden im Hinterkopf

Legault dürfte vor allem die beiden gescheiterten Unabhängigkeitsreferenden im Hinterkopf behalten haben. Das zweite und bislang letzte fand 1995 statt – und die Initiatoren scheiterten haarknapp mit 49,42 Prozent Ja-Stimmen. Ausschlaggebend für die Niederlage waren nicht-französischsprachige Einwanderer. Ein Unabhängigkeitsreferendum würde derzeit auch in Südtirol scheitern. Ein Drittel der Wahlberechtigten dürften mit Ja stimmen. Das legen die Wahlergebnisse und -umfragen der Parteien nahe, die für eine Abspaltung von Rom sind. Linke, die derzeit wegen der bitterbösen „populistischen“ Lega/Fünf-Sterne-Regierung toben, würden auch dann nicht für eine Sezession sein, wenn die Lega das Ruder komplett in die Hand nehmen würde.

Die CAQ wird auch ein Stachel im Fleisch vom System Justin Trudeau sein. Der kanadische Premierminister steht wie kein zweiter Regierungschef auf dem Kontinent für Einwanderung und Multikulturalismus. Die CAQ-Abgeordnete und derzeitige Sprecherin Geneviève Guilbault sorgte bereits für Aufregung, als sie ankündigte, in Québec werde das offene Tragen religiöser Symbole von Lehrern und anderen Staatsbediensteten künftig verboten werden. Im Fokus standen natürlich Kopftücher und andere Formen moslemischer Verschleierung.

Noch am Wahlsonntag demonstrierte ein Bündnis aus rund 60 linken und einwanderungsfreundlichen Organisationen gegen den Sieg der CAQ. Sie ist keine Blaupause für Veneter, Flamen oder Südtiroler. Aber sie können und sollten von ihr lernen. Denn der Weg zu mehr Unabhängigkeit ist vielzweigig.

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